Schottland Teil 1: Auf den Highlands in Richtung Süden
09.07.2002
Gefahrene Strecke: 50 Meilen
Die Jugendherberge war in einer alten Mühle untergebracht.
Nebenan plätscherte ein kleiner Fluss, von dem wohl früher die
Wasserräder angetrieben wurden.
Mein Reiseziel für heute ist
Tongue. Die Strecke führte
größtenteils über die Autostraße A 1, die hier oben in Schottland
aber nicht breiter ist ein Feldweg. Die schmale Straße mussten sich
Autofahrer, Radfahrer und manchmal auch Schafe teilen. Diese
wiederum ließen sich von anderen Verkehrsteilnehmern überhaupt nicht
beirren. Weder durch gutes zureden noch durch hupen waren die Tiere
zu überzeugen, die Fahrbahn zu verlassen.
Das Profil der Strecke ist zuerst wellig, dann aber richtig
bergig. Oben auf den Bergen hatte ich eine faszinierende Aussicht
über eine recht karge Heidelandschaft. Vereinzelt sah ich mal ein
Haus in der Nähe der Straße.
Meist war um mich herum nichts weiter als die unberührte Natur.
So war dann auch mein Rastplatz gelegen, den ich am Nachmittag
aufsuchte. Ich saß auf einer Bank und unter mir war der Strand zu
sehen. Ich hätte stundenlang hier auf der Bank sitzen und auf das
Meer schauen können.
Dann erreichte ich
Tongue. Der Ort besteht aus zwei
Hotels, einer Post und einer Bank, der Jugendherberge und zwei
Privathäusern. Die Jugendherberge hatte schöne, große, helle Zimmer,
die einen angenehmen Aufenthalt versprachen.
Ich war mit Marion, der Motorradfahrerin mit Beiwagen,
verabredet, die sich als Unterkunft ein Hotel ausgesucht hatte.
Im Restaurant des Hotels ließen wir uns ein 4-Gänge-Menü und eine
Flasche Wein servieren. Ich musste mein Urteil über die britischen
Kochkünste zurücknehmen. Das Mahl war wirklich ausgezeichnet.
10.07.2002:
Gefahrene Strecke: 50 Meilen
Die Regentropfen hämmerten so laut gegen die Fensterscheibe, dass
ich aufwachte. Es nützte aber nicht, dass ich das Wetter verfluchte,
ich musste aufstehen und losfahren. Zumindest konnte ich die Abfahrt
noch um einige Zeit hinauszögern, vielleicht wird das Wetter später
wieder besser.
Ich hatte Glück, das Wetter beruhigte sich und ich fuhr los. Von
anderen Reisenden wurde mir bereits berichtet, dass die Strecke bis
Bonar
Bridge die einsamste Strecke in Schottland überhaupt
ist. Es bewahrheitete sich. Über eine Strecke von 60 km war nichts
außer Natur und ein paar Schafe. Die Straße schlängelte sich durch
die Landschaft, heute zwischen den Bergen hindurch und nicht immer
hinüber. Unten im Tal war ein großer See zu sehen, dessen
Wasserfläche spiegelglatt war. Die Wolken und die Berge spiegelten
sich auf der Wasseroberfläche. Die Landschaft war unbeschreiblich
schön.
Da es zwischendurch immer mal wieder einen Regenschauer gab, war
ich trotz der schönen Landschaft froh, nach einigen Stunden einen
Gasthof zu finden. Eine Portion Tee sollte mir wieder neue Kraft
geben. Ein Portion ist hier eine große Kanne Tee und zusätzlich noch
ein Topf heißes Wasser.
Den Rest der Strecke ging es meist bergab, sodass ich schon am
frühen Nachmittag in der Nähe der Jugendherberge war.
Die Jugendherberge liegt in dem "
Carbisdale-Castle", das von
sich wirbt: "Schloß Carbidale hat eine eigene Statuengallerie, eine
Kunstsammlung und einen eigenen Geist."
Ich konnte das Gefühl ich loswerden, dass an der Werbung für die
Jugendherberge etwas dran sein muss. Hohe Burgtürme streckten sich
auf dem rauen Felsen gegen den Himmel, ein Fluss mit großem
Lachsbestand hielt die Besucher fern. Das Neo-gotische Profil des
Schlosses sah nicht gerade einladend aus. Und von den Ufern des
Flusses hörte ich den unsichtbaren Dudelsackspieler seine Lieder
spielen. Er soll den Geschichten zufolge der gleiche Geist sein, der
auch die Orgel im großen Ballsaal des Schlosses erklingen lässt.
Irgendwann, nach einem langen Fußweg und unzähligen Stufen war
ich dann endlich am Ziel. Belohnt wurde ich am Abend mit einem
schmackhaften Menü, bestehend aus einer Vorsuppe, Curryhuhn auf
Reis, Salat, Obst, Kuchen und Eis.
Als ich einschlief, hörte ich noch lange die Orgelmusik...
11.07.2002:
Gefahrene Strecke: 46 Meilen
Über eine alte, kleine Straße führte der Weg wieder in die
Highlands. Vor hier oben hatte ich einen schönen Ausblick auf das
Meer und die "Firths" (in Norwegen sagt man Fjorde dazu). Bei
trockenem Wetter schraubte ich mich so wieder von einem Berg zum
anderen.
Am frühen Nachmittag erreichte ich
Inverness. Der Weg zur
Jugendherberge war nicht ausgeschildert, sodass ich einen
Polizisten fragen musste. Dieser führte mich durch die halbe Stadt,
bis zu einer Wegegabelung, wo er mir zwei Alternativen zeigte, eine
kurze, steile Strecke und eine lange, flache Strecke, die er mir
dann auch empfahl. Als ich mich dann gerade aufmachen wollte, meinen
Weg allein auf der Straße fortzusetzen, hielt er mich noch einmal
zurück und erklärte mir, dass es hier viel zu gefährlich sei, mit
dem Fahrrad auf der Straße zu fahren. Ich sollte doch lieber den
Fußweg auf der anderen Straßenseite benutzen. Dann stellte er sich
mitten auf die Straße, hielt den Verkehr auf, und gab mir den Weg
frei, die Straße zu überqueren. Die Polizei, dein Freund und
Helfer.
12.07.2002:
Gefahrene Strecke: 46 Meilen
Irgendwie hatte ich heute Nacht einen sehr unruhigen Schlaf. Ob
der Geist vom Carbisdale-Castle noch in der Nähe war? Umso länger
dauerte heute Morgen alles. Es war schon nach 10.00 Uhr als ich
endlich losfahren konnte.
In der Nähe von Nairn liegt das
Crawdor Castle.
Hier gönnte ich mir eine Pause und besichtigte das Schloss. Ein
heftiger Regenschauer hinderte mich zunächst an der Weiterfahrt.
Aber bald verzogen sich die Wolken, sodass ich meine Reise
fortsetzen konnte. Durch den Regen standen die kleinen Straßen über
lange Strecken unter Wasser, es war sehr mühsam hier voranzukommen.
Auf dem Weg nach
Elgin fand ich viele Hinweisschilder, die
zu einer Besichtigung von Whiskydestillen einluden. Aber diesen Spaß
wollte ich mir lieber für Morgen aufheben.
Das Touristbüro in Elgin fand erst nach langem Suchen eine
Unterkunft für mich, da die Ferien hier angefangen haben.
Letztendlich bekam ich eine Unterkunft in einem 4-Sterne Bed and
Breakfast Haus. In dem sehr gemütlichen Zimmer hatte ich Gelegenheit
mir einen Tee zu kochen. Auch standen ein paar Kekse für mich
bereit.
13.07.2002:
Gefahrene Strecke: 48 Meilen
Heute war wohl einer der schönsten Tage der Reise. Als ich duch Dänemark fuhr, war ich von der schönen Landschaft dort unheimlich begeistert. Schweden fand ich dann doch noch etwas schöner. In Norwegen musste ich meine Meinung korrigieren, denn Norwegens Landschaft war einmalig und wohl nicht zu übertreffen. Dann auf den Shetland Inseln und den Orkney Inseln war mir klar, nun endgültig die landschaftlich reizvollste Gegend gefunden zu haben. Und nun in Schottland musste noch einmal meine Meinung ändern: Schottland übertrifft alle anderen Gegenden noch einmal - es ist unbeschreiblich schön! Außerdem sind die Menschen hier unglaublich nett und hilfsbereit.
Mein Weg führte mich heute entlang der Route des
Malt Whisky
Trail. Überall roch es hier nach gebranntem Schnaps. Ich hatte mir die berühmte
Glenfiddich Distillery ausgesucht, um sie zu besichtigen.
Überrascht war ich, dass die Besichtigung noch nicht einmal Eintritt kostete. Denn es wurde einiges geboten: u.a. wurde ein Film über den Werdegang der Firma gezeigt und wir konnten sogar einen edlen 12-jährigen Whisky probieren. Die teuersten Flaschen, es handelte sich dabei um einen 60-jährigen Whiskey, der damals nur in limitierter Auflage hergestellt wurde und jetzt etwa 1000 Pfund kostet, wurden uns allerdings nur gezeigt. Probieren durften wir den natürlich nicht.
Als ich dann mittags wieder weiter wollte, musste ich erst einmal eine etwas längere Pause machen, denn durch die Whiskeyprobe war ich ein doch ganz klein wenig beschwippst.
Dann machte ich mich aber auf den Weg und erreichte
Huntley, den nächsten Ort, schon um etwa 14 Uhr. Weil das Wetter so schön war, fuhr ich einfach weiter und besichtigte auf dem Weg noch
Leith Hall, eine sehr schöne Gartenanlage.
Meine Hoffnung, dort in der Gegend eine Unterkunft zu bekommen, erfüllte sich allerdings nicht. Es gab nur drei Quartiere hier und die waren alle wegen der Ferienzeit in Großbritannien belegt. So langsam geriet ich in Panik, denn es wurde immer später. Die nette ältere Dame im Bed&Breakfast-Büro gab mir den Rat, doch noch weiter bis nach
Insch zu fahren, denn dort würde es ein Hotel geben. Sie fragte mich noch, mit welchem Verkehrsmittel ich denn unterwegs sei. Als ich ihr sagte, mit einem 'bike', dachte sie an ein 'motorbike'. Ich erklärte ihr, dass es sich um ein 'pedalbike' handelt. Sie konnte es gar nicht glauben und versprach, mir auf jeden Fall noch ein Quartier für die Nacht zu besorgen, wenn es mit dem Hotel in Insch nicht klappen sollte.
Ich musste ihr Angebot nicht in Anspruch nehmen, denn ich bekam ein Zimmer im Hotel in Insch. Es kostete 25 Pfund und war damit auch gar nicht so teuer wie ich befürchtete.
Morgen wird es weiter nach
Aberdeen gehen. Dort werde ich meinen Mann Bernhard wieder treffen, der sich zwei Wochen Urlaub genommen hat und mich in dieser Zeit begleiten wird. Er ist mit der Fähre nach
Newcastle gefahren und wird Morgen mit dem Zug nach Aberdeen kommen. Ich freue mich schon darauf, wenn wir uns dann abends in Aberdeen ein Guiness Bier gönnen werden.
14.07.2002:
Gefahrene Strecke: 60 km
Auf der heutigen Etappe ging es auf ziemlich direkten Weg nach
Aberdeen. Unterwegs hatte ich mir keine weiteren Besichtigungen vorgenommen. So war ich schon um 14 Uhr in der Jugendherberge, in der ich schon am Vortag zwei Betten für mich und Bernhard reserviert hatte. Nach dem Einchecken und dem Einkauf von ein paar Lebensmitteln machte ich mich auf den Weg, um Bernhard vom Bahnhof abzuholen. Zum Glück konnte er seinen ursprünglich geplanten Zug noch umbuchen und war schon um 16.30 Uhr und nicht erst um 22.30 Uhr in Aberdeen. Nach sechs Wochen konnte ich dann meinen Mann endlich wieder in die Arme schließen. Ich freue mich schon unglaublich darauf, die nächsten zwei Wochen mit ihm zusammen die Tour fortzusetzen.
Abends haben wir uns dann gemeinsam die Stadt angesehen. Aberdeen ist mit 200.000 Einwohnern übrigens die zweitgrößte schottische Stadt. Es war auch am Abend noch warm und wir konnten wie in Südeuropa noch draußen sitzen und in der Fußgängerzone
essen - und natürlich durfte das Guiness Bier nicht fehlen. Im Hintergrund erklangen jede Stunde die Glocken der vielen alten Kirchen - es war einfach herrlich!
Witzig war, dass einige Touristen hier in Aberdeen als Souvenir echte Schottenröcke kaufen und damit auch durch die Stadt flanieren. In Deutschland werden sie sich das bestimmt nicht trauen!
15.07.2002:
Gefahrene Strecke: 0 km
Heute hatte ich den ganzen Tag zusammen mit meinem Mann Bernhard in
Aberdeen zugebracht. Es ist nicht zu glauben: es war schon der dritte Tag ohne Regen!
Wir hatten uns vor allem die schöne Altstadt angesehen. Besonders beeindruckt waren wir vom
King's College, der Universität.
Mit unseren Rädern fuhren wir dann die Strandpromenade von Aberdeen entlang und hatten uns auch noch einen Vergnügungspark angesehen. Anschließend besichtigten wir noch das älteste Haus von Aberdeen, das
Provost Skene's House, das im Jahr 1593 erbaut wurde.
Heute ist hier ein Museum untergebracht und man konnte einen Eindruck darüber gewinnen, wie die Menschen früher in den schottischen Städten gelebt hatten. Auch der Besuch des
Art Gallery Museums hatte sich gelohnt.
Dann waren wir noch in einem riesigen Park, in dem ausschließlich Rosen angepflanzt waren. So etwas hatte ich noch nie vorher gesehen!
Am Abend schlenderten wir dann nur noch durch die Straßen von Aberdeen und machten Pläne für die nächsten Tage. Vielleicht werden wir es Morgen bis
Dundee schaffen. Das müssten etwa 100 Kilometer sein. Das hängt natürlich vom Wetter ab. Wenn wir es übermorgen dann bis kurz vor Edinburgh schaffen, könnten hätten wir dann ausreichend Zeit für die Besichtigung der Großstadt.