Dänemark: Probleme mit dem Handy, heftiger Regen und unliebsamen Kontakt mit der Polizei
06.06.2002:
Gefahrene Km 86
Zum Frühstück gab es frisches,
selbstgebackenes Brot. Ich wurde von meinem Dachgeber richtig
verwöhnt. Aber irgendwann muss ich weiter.
Auf dem Weg nach Dänemark schaue ich noch in
das Emil-Nolde-Museum hinein. Eine sehr schöne Ausstellung, deren
Besuch sich lohnt.
Dann kam wieder der Wind. Ich hatte das
Gefühl, dass es noch schlimmer war als gestern. Von dem Wind wurde
ich hin und her geschüttelt. Sogar die an der Lenkertasche
befestigte Landkarte wurde mir weggerissen. Dazu kam noch der Sand
von den Feldern, der sich schnell in die Ohren, Augen und Nase
festsetzte. Um es mal deutlich zu sagen: Das war richtig doof.
Bei allem Wind war es sehr warm, sodass ich
in Kurz fahren konnte. Durch die viele Sonne in den letzten Tagen
habe ich schon richtig viel Farbe bekommen. Ansonsten gibt es aber
keine Probleme, auch mein Po tut mir nicht weh.
In Dänemark stelle ich fest, dass mein Handy
hier nicht funktioniert (Pre paid card von e-Plus), obwohl ich mich
hierüber extra vorher informiert habe. Es sollte angeblich kein
Problem sein. Soviel zur Technik.
Heute Abend werde ich in der Jugendherberge
von
Ribe in Dänemark übernachten. Eine Attraktion wird es heute
abend auch noch geben, der Nachtwächter von Ribe geht um acht Uhr in
der Stadt herum und erzählt Geschichten. Das werde ich mir auf alle
Fälle noch anhören.
Der Nachtwächter erschien mit Laterne und
Stab, wanderte durch die Stadt, sang dabei Lieder und erzählte
Geschichten über die Stadt Ribe. Natürlich in dänisch. Woher ich das
weiß? Am Hafen traf ich einen Mann, der gerade seine Blumen gegossen
hatte. Er fragte mich, ob ich ein Tourist sei, und etwas über die
Stadt Ribe erfahren möchte.
07.06.2002
Gefahrene Km 117
Die längste Tour bisher auf der Strecke. Aber
alles der Reihe nach: Abfahrt war heute morgen um 09:30 Uhr. Das
Wetter ist immer noch sehr warm, der Wind immer noch sehr heftig,
wie in den letzten Tagen.
Kurz hinter Esbjerg erreiche ich das Denkmal
"Menschen am Meer". Vier Männer sitzen am Strand und schauen aufs
/Meer. Der Radweg führt anschließend direkt neben der Straße, so dass
die Fahrt zügig weitergehen kann. Kurz vor Oksboll mache in auf
einem Waldparkplatz eine größere Pause.
Dann wird die Landschaft anders: Die bisher
flache Strecke wird wellig, der Weg führt mich über Strecken im Wald
und über Dünen, teilweise über Schotterwege bis nach Nymindegab.
Bisher bin ich heute 95 Km gefahren. Ich mach' noch einmal Pause und
gönne mir erst mal ein Eis.
Die Jugendherberge ist noch 22 Km entfernt.
Ich rufe dort an, um zu erfahren, ob noch ein Platz für mich frei ist
und mache mich auf den Weg, die letzten Km für heute zu bewältigen.
Der Wind kommt schräg von hinten, sodass ich in gut einer Stunde in
Hvide Sande bin. Für 145,00 DK gibt es hier in der Jugendherberge
ein Bett und am nächsten Morgen ein Frühstück.
Bevor ich erschöpft in das Bett falle, lasse
ich mir vom hiesigen Italiener noch eine große, leckere Portion Spagetti mit
Lachs servieren.
08.06.2002
Gefahrene Km 58
Mein Kommunikationsproblem ist gelöst. In
einer Nacht und Nebelaktion erhielt ich ein neues Handy, das hier in
Dänemark funktioniert und somit auch eine neue Rufnummer.
Heute sind nur 58 Km zu fahren, also mache ich
mal Urlaub. Ich lasse mir beim Frühstuck viel Zeit, verabschiede
mich von den sehr netten Herbergseltern und fahre zunächst nach
Hvide Sande um mir die Stadt anzuschauen. Dann geht es weiter über
Schotterwege, die nicht ganz so gut zu fahren sind, durch eine
Ferienhaussiedlung. Vor mir taucht ein Leuchtturm auf, den ich erst
einmal besichtige und die tolle Aussicht genieße.
Es geht weiter nach Ringköbing. Auf dem
Marktplatz gibt es eine Eisdiele, an der ich einfach nicht
vorbeigehen kann. Nur noch ein par Km und ich bin in
Vedersoklit,
einer kleinen Ferienhaussiedlung, wo ich mich mit einer Freundin
treffe. Gern nehme ich das Angebot an, im Ferienhaus zu übernachten.
09.06.2002
Gefahrene Km: 120
Normalerweise kommt der Wind beim
Fahrradfahren immer von vorne. Heute war es mal anders. Ein leichter
Wind schob mich über ein welliges Gelände, auf guten Wegen mit einem
schnellen Belag. Ich fuhr durch kleine, malerische Fischerorte.
Durch das Spiel von Wolken und blauem Himmel hatte ich ein
wunderschönes Licht um einige Fotos zu machen. Eine unheimlich
schöne Strecke heute.
Bei diesen Gelegenheiten wünsche ich mir oft,
dass noch jemand bei mir ist, mit dem ich diese schönen Momente
teilen kann.
Unterwegs nach Hanstholm traf ich eine Gruppe
von Fahrradfahrern die von Hamburg bis nach Skagen reisen wollen.
Obwohl ich den gleichen Weg habe, überhole ich die Gruppe, weil es
eben auch ganz schön ist, allein zu reisen, das eigene Tempo zu
radeln und auf keinen Rücksicht nehmen zu müssen.
Am Nachmittag bilden sich dichte Wolken am
Horizont und kommen immer näher. Ich denke immer, dass es gleich
mächtig anfängt zu schütten, bleibe aber Gott sei Dank davon
verschont.
In
Hanstholm angekommen überlege ich mir, für
das heutige Abendessen mal einzukaufen. Aber an einem Sonntag ist so
eine Überlegung nicht ganz so gut. Also gibt es Fischbrötchen mit
Krabben.
Die Ausschilderung bisher war sehr gut. Eine
Landkarte brauchte ich bisher sehr selten. Ich fahre auf dem
dänischen Radweg Nr. 1. Die Schilder zeigen vorbildlich die Richtung
und die Entfernung zum nächsten Ort an.
Die Möglichkeiten der Übernachtung waren auch
problemlos; noch habe ich nicht am Stand schlafen müssen. Heute
übernachte ich in einem Wanderheim, wo ich sogar ein Einzelzimmer
zur Verfügung habe. In den letzten Jugendherbergen gab es zwar nur
Mehrbettzimmer, ich konnte in denen aber alleine übernachten.
Bisher habe ich mich noch nicht ganz von
meinem Alltag Zuhause gelöst. Oft muss ich noch an die Firma denken.
Ob dort wohl noch alles klappt? Ich schätze aber, dass ich in ein
bis zwei Wochen soweit bin, mich ganz auf mich selbst zu
konzentrieren.
Die Ausrüstung und anderen Dinge, die ich auf
meine Reise mitgenommen haben, sind bisher in Ordnung. Noch vermisse
ich nichts. Mit Ausnahme der Power Bar's. Hiervon habe ich zuwenig
mitgenommen. An die letzten drei Stück mag ich gar nicht mehr
herangehen, aus Angst, in Notsituationen, wie dem bekannten Hungerast,
auf keine Energieriegel mehr zurückgreifen zu können.
Meine Kondition wird von Tag zu Tag besser.
Der Sattel hat sich meinem Po angepasst (oder umgedreht) und die
Beine treten in die Pedale, als hätten sie noch nie etwas anderes
gemacht. Strecken wie heute mit über hundert Km machen mir überhaupt
nichts mehr aus.
10.06.2002:
Gefahrene Km 75
Heute morgen war die Welt noch in Ordnung.
Aber dann ging es los. Ein Wolkenbruch verwandelte den Fahrradweg in
einen Bach, Blitz und Donner taten ihr übriges dazu, dass ich
dachte, die Welt geht unter. Witzig war das bestimmt nicht mehr.
In einem Kaufmannsladen konnte ich mich
unterstellen. Ich muss wohl ziemlich erbärmlich ausgesehen haben, so
dass mir der Kaufmann erst einmal einen heißen Tee kochte.
Bis zur nächsten Jugendherberge in
Fjerritslev
waren es noch einige Kilometer, also blieb mir nicht anderes übrig,
als wieder auf das Fahrrad zu steigen und den Rest der Strecke im
Regen zu fahren. Dank der guten Fahrradtaschen ist mein Gepäck
trocken geblieben.
Wieder in trockenen Tüchern, machte ich mich
zu Fuß auf, meinen Hunger zu stillen. Es hat sich herausgestellt, das
selbst Essen kochen nicht so praktisch war. Zum einen ist es fast
genauso teuer wie im Restaurant, zum anderen gibt es Portionen für
eine Person nicht zu kaufen. Also gab es wieder Pasta beim
Italiener.
In der Jugendherberge erwartete mich bereits
eine aufgeregte Frau, die behauptete, ich hätte gerade den Spiegel
ihres Autos abgefahren. Das hatte mir heute gerade noch gefehlt.
Meine Beteuerungen, dass ich doch gerade beim Italiener war und
zudem noch zu Fuß unterwegs gewesen bin, erhöhten die Gereiztheit
der Frau noch mehr. Schließlich drohte sie mir, Morgen mit der
Polizei zu kommen.
Na dann gute Nacht.
11.06.2002:
Gefahrene Km 94
Ich saß noch beim Frühstück in der
Jugendherberge, als die Frau von gestern zusammen mit einem
Polizisten kam. Ich kam mir vor wie eine Schwerverbrecherin. Ich
musste dem Polizisten mein Fahrrad zeigen. Dabei fiel ihm auf, dass
an meinem Bremshebel Schrammen waren. Bei einem zehn Jahre alten
Fahrrad ist das nichts außergewöhliches, aber der Polizist wurde
misstrauisch. Dann wurde ausprobiert, ob der Lenker überhaupt in
Höhe des Außenspiegels sitzt. Auch hier wollte es das Schicksal,
dass alles genau passte. Immer wieder fragte mich der nette Herr von
der Polizei, wo ich gestern war, wohin ich will und ob ich die
Übeltäterin gewesen bin. Als ich schon ganz verzweifelt war und
schon an eine kostenlose Übernachtung auf Staatskosten dachte, ließ
er von mir ab und sagte nur, "O. K., ich glaube dir."
Von da ab schien wieder die Sonne.
Ich besuchte noch den Fahrradhändler vor Ort,
der die Gangschaltung wieder justierte und machte mich anschließend
auf den Weg. Heute ging die Strecke über ein Teilstück von gut 15 Km
direkt im Sand auf dem Strand entlang. Die Wellen der Nordsee kamen
bis an den Weg hinauf. Teilweise musste ich, ob ich wollte oder
nicht (und ich wollte eigentlich nicht!) durch riesige Wasserpfützen
fahren. Der Wind kam leicht von hinten aber der einsetzende
Nieselregen versuchte meine Laune wieder herunter zu reißen.
In
Hirthals angekommen suche ich als erstes
die Jugendherberge auf. Leider ist hier schon alles belegt. Nach
einigem suchen finde ich ein Privatzimmer, dass sich als ein Traum
herausstellte. Im Oberschoss des Hauses gelegen, die Giebelseite als
Fensterfront und ein Balkon mit Blick auf die Nordsee. Und das
preisgünstiger als die Jugendherberge.
In mein Tagebuch kann ich beruhigt schreiben:
"Nach dem Scheißtag gestern, ist es heute einfach nur schön."
12.06.2002:
Gefahrene Km 51 bis Skagen und noch 26 bis
Greenen und zurück.
Greenen ist der nördlichste Punkt von
Dänemark, dort wo sich Skagerak und Kattegat treffen, oder auch wo
sich die Nordsee und die Ostsee treffen. Ein faszinierendes
Schauspiel zweier Naturgewalten, ein irres Gefühl an dieser Stelle
zu stehen.
Wieder war die Jugendherberge voll belegt. Ich
versuche in
Skagen ein Privatquartier zu bekommen. Die Vermieterin,
eine ältere Dame mustert mich von oben bis unten. Für eine Nacht hat
sie kein Quartier für mich. Ich versuche ihr zu erklären, dass ich
einen Schlafsack dabei habe und nur ein Dach über den Kopf für die
Nacht brauche. Dann führt sie mich in den Garten und zeigt auf das
Gartenhaus. Hier kann ich eine Nacht bleiben.
Super, so viel Komfort hatte ich gar nicht
erwartet: Wohn-/Schlafzimmer, eine Küche und ein eigenes Bad standen
für mich allein zur Verfügung. Das ganze für rund 27 Euro.
Zum Abendbrot besuche ich ein Fischrestaurant
am Hafen. Es gibt leckeren Lachs und dazu frisches Brot. Ich
schreibe noch ein par Karten nach Hause, genieße die letzten
Sonnenstrahlen für heute und lass es mir so richtig gut gehen.