Die letzten Tage bis nach Hause, oder: Alles hat ein Ende...
31.07.2002
Gefahrene Km: 95
Als ich heute morgen (noch in Holland) beim Frühstück den
Radiosender NDR 2 hörte, wusste ich, dass ich nicht mehr weit von zu
hause weg bin. Auch bei der Reservierung der Jugendherberge für
heute Nacht, hörte ich bereits die mir vertraute deutsche Sprache am
anderen ende der Telefonleitung. Schön, dass ich bald wieder zu
hause bin.
In der Nacht hatte ich super gut geschlafen, mich beim Frühstück
ganz nett mit anderen Gästen des Hotels unterhalten und fuhr heute
morgen guter Dinge los. Es ließ sich gut radeln, der Wind kam nicht
mehr von vorne, so dass ich die ersten 70 Km in einem durchgefahren
bin. Erst als ich die Grenze zu Deutschland passierte, machte ich
meine erste Pause.
Ich musste erst einmal viele Leute anrufen und allen erzählen,
dass ich wieder in der nähe der Heimat bin. In einer Eisdiele gönnte
ich mir noch einen großen Eisbecher und fuhr erst los, als ich in
der Ferne das Gewitter grollen hörte.
Es waren noch 15 Km bis nach Papenburg. An einer Brücke,
die über die Ems führte, musste ich noch warten, weil diese gerade
für vorbeifahrende Schiffe hochgezogen war. Zehn Minuten vor
Papenburg konnte ich dem Gewitter dann doch nicht mehr entrinnen.
Wie ein Wasserfall ergoss sich der Regen über mir. Innerhalb von
Sekunden war ich bis auf die Haut nass geworden.
Trotzdem stellte ich mich noch an einem Geschäft unter. Wie es
der Zufall so wollte, traf ich hier noch einen anderen Radler, der
vor dem Regen Zuflucht suchte. Wir kamen ins Gespräch und
unterhielten uns so angeregt, dass wir gar nicht mehr merkten, dass
der Regen längst aufgehörte hatte.
Kurz vor der Jugendherberge in Papenburg erwischte mich noch
einmal ein heftiger Schauer, so dass ich wie ein begossener Pudel zu
Rezeption der Jugendherberge ging. Schnell wurde mir ein Zimmer im
Dachgeschoss zugewiesen und ich konnte endlich duschen gehen.
Draußen tobte das Gewitter immer heftiger. Blitz und Donner folgten
kurz hintereinander.
Wieder auf dem Rückweg zu meinem Zimmer knallte es so heftig,
dass ich schon dachte, der Blitz hätte in das Gebäude der
Jugendherberge eingeschlagen. Hiervor bewahrte uns ein großer, alter
Baum vor meinem Zimmer, der sich dann aber den Naturgewalten beugen
musste und mit voller Wucht das Dach der Jugendherberge durchschlug.
Das Nachbarzimmer war total verwüstet worden.
Nachdem ich mich von diesem Schreck erholt hatte, machte ich noch
einen abendlichen Schaufensterbummel durch Papenburg. Schließlich
musste ich mich informieren, welche Kapriolen die Mode während
meiner langen Reise gemacht hatte. Den ganzen Tag in Radlerhose und
Trikot, hatte ich mir bisher keine Gedanken darüber gemacht.
01.08.2002
Gefahrene KM: 123
Zurück in der Jugendherberge bekam ich noch ein neues Zimmer
zugewiesen. Die Feuerwehr war bis in die Nacht dabei, die
Gefahrensituation des umgestürzten Baumes zu beseitigen.
Gut schlafen konnte ich nicht mehr, so dass ich froh war, morgens
früh aufzustehen und mich wieder zeitig auf das Fahrrad zu setzten.
Zunächst an einem Kanal entlang, dann über kleine Straßen ging es
bis nach Cloppenburg. Heute hatte ich die ersten 70 Km bereits um
12.30 Uhr hin mich gebracht. Mein Ziel heute war es auch nur, so
schnell wie möglich zwischen den heftigen Regenschauern nach
Diepholz zu kommen.
Unterwegs überlegte ich ernsthaft, mich die letzten Kilometer in
den Zug zu setzen und einfach bis nach hause zu fahren. Aber nein,
ich bin mit dem Fahrrad von zuhause los geradelt und will auch mit
dem Fahrrad wieder ankommen.
In einem kleinen Ort hinter Diepholz fand ich ein Quartier
für die Nacht. Heute mal im Erdgeschoss, so dass ich mein Fahrrad
bis vor die Zimmertür fahren konnte.
Die letzte Übernachtung und vor allem das letzte Abendessen
dieser Tour werde ich heute noch einmal richtig genießen.
02.08.2002:
Gefahrene KM: 97
Heute ist der letzte Tag meiner großen Reise. Zum Abschluss
schien noch einmal die Sonne vom strahlend blauen Himmel, der Wind
kam von hinten und Berge stellten sich mir heute nicht in den Weg.
Zum Frühstück erhielt ich noch ein kräftigendes Frühstück. Dann
ging es los - nach Hause. Teilweise den Radweg Hannover - Dümmer,
sonst auf kleinen Straßen entlang, kam ich schnell zur Weser.
In Wasserstraße kaufte ich mir noch ein paar Kleinigkeiten für das
Mittagessen. Obst und Buttermilch sollte es heute geben.
Weiter ging es über Lese, Rehburg nach Mardorf am Steinhuder
Meer, wo ich noch einmal eine Pause machte. Ich hatte Zeit, bis
Bernhard mir telefonisch das Signal gab, weiterfahren zu dürfen.
Zusammen mit Radfahrfreunden wollte er mich abholen.
So wurde ich dann auch in der Nähe des Steinhuder Meers in
Empfang genommen und die letzten Kilometer bis nach Hause geleitet.
Bei einem Glas Sekt ließ ich dann meine Reise ausklingen.
Anmerkung und Schlusswort der Redaktion:
10 KM von zuhause entfernt nahmen wir Kerstin in Empfang. Sie
machte keineswegs einen erschöpften Eindruck, sondern kam braun
gebrannt dahergeradelt. Sie wirkte erstaunlich frisch und fühlte
sich so: "Ich könnte noch lange so weiterfahren. " Doch dagegen
stehen weitere Termine. An diesem Wochenende will Kerstin noch -
zusammen mit Arbeitskollegen von Sennheiser - beim 115 KM langen
Radrennen der HEW in Hamburg teilnehmen.
Ab Montag möchte Kerstin wieder an ihrem Arbeitsplatz sitzen:
"Mit meinen Kollegen habe ich schon telefoniert, und ich freue mich
schon auf die Arbeit."
Auf die Frage, ob sie wieder ein derart ungewöhnliches Abenteuer
angehen würde, kam ganz spontan: "Auf jeden Fall". Doch gut
informierten Kreisen zu folge, wird bis dahin noch einige Zeit
vergehen.
Bernhard Brause