Die Shetland- und die Orkney-Inseln: Ein Flug über das Wasser und im Beiwagen über die Insel
03.07.2002
Gefahrene Km: 85
Auf der Fähre lernte ich noch viele Leute kennen, die ebenfalls
mit dem Fahrrad unterwegs waren. Die Ziele und Motivationen dieser
Leute waren genauso unterschiedlich wie die Herkunft: Ein finnisches
Pärchen will auf den Shetland-Inseln einfach nur Urlaub machen, zwei
Hollander wollen sich für die Nordseetour vier Monate Zeit nehmen
und ein Pärchen mit von Neu Seeland mit dem Tandem unterwegs.
Als guten Hinweis bekam ich noch auf der Fähre: "Think about on
the left site!". Nicht nur dass mal wieder die Währung, die Gegend
und die Leute ganz anders sind, hier gibt es zudem auch noch
Linksverkehr, Meilen statt Kilometer und die Uhr musste ich um eine
Stunde zurückstellen.
Es war 03:30 Uhr Ortszeit, als die Fähre endlich auf den
Shetland-Inseln anlegte. Als wir durch Lervick in Richtung
Jugenherberge unterwegs waren wurde es gerade hell. Von der Stimmung
am frühen Morgen und den vielen neuen Eindrücken, die auf mich
zuströmten, war ich total euphorisch.
Getreu nach dem Motto: "My home is my castle", war jedes Haus wie
ein kleines Schloss hergerichtet. Es war für mich einfach nur toll,
hier durch den frühen Morgen zu fahren.
In der Jugendherberge bekam ich ein Bett in einem Schlafsaal
zugewiesen. Zusammen mit vielen anderen Gästen versuchte ich noch
ein paar Stunden zu schlafen. Doch irgendwann zur Frühstückszeit war
die Unruhe im Saal so groß, dass ich mich entschloss auch
aufzustehen. In einem Coffeshop in der Stadt genehmigte ich mir ein
Käsebrötchen und Kaffee.
Da ich nicht so viel Zeit hatte, alles von der Insel zu sehen,
entschied ich mich, heute in Richtung Süden zu fahren. Neben den
vielen kleinen Schlössern" hier auf der Insel gab es nichts
außer Moor und Weideland, alles außerhalb der Stadt war noch sehr
ursprünglich geblieben. Es gefällt mir sehr gut hier, so dass ich
überlegte, vielleicht noch einmal für 14 Tage hier her zu kommen.
Zum Abendbrot kaufte ich mir zur Feier des Tages noch eine
Flasche Rotwein und leckere Sachen zum essen. Ich lernte noch zwei
Frauen aus Frankfurt/Main kennen, wir klönten bis spät in die Nacht
hinein.
Auch heute wurde mir wieder die Frage gestellt, ob es für mich
nicht zu einsam auf der Tour sei. Ja und nein. Wenn ich schöne Dinge
erlebe, möchte ich diese gern mit einem anderen Menschen teilen,
dann fühle ich mich manchmal einsam. Ist es aber gerade nicht so
toll, weil mir der Sturm den Regen in das Gesicht peitscht und ich
mich mühe die Berge hochzukommen, bin ich froh allein zu sein.
04.07.2002
Gefahrene Km: 72
Heute setzte ich meine Erkundungstour auf der Insel fort. Das
Wetter spielte nicht immer so mit, wie ich das wollte, bei 13 Grad
gab es einen kräftigen Wind mit vielen Regenschauern. Auf der einen
Seite wollte ich so viel wie möglich von der Insel sehen, auf der
anderen Seite hielt mich der kalte Regen und der Sturm davon ab,
zügig voranzukommen.
Dennoch konnte ich mir eine alte Schlossruine anschauen, bin dann
weiter zum Strand gefahren, wo ich mich zwischen den Schauern ein
wenig in die Sonne setzten konnte. Die Berge sind hier bei weitem
nicht so steil wie in Norwegen, dafür ziehen sich die Steigungen
endlos hin. Im kleinsten Gang fuhr ich stundenlang bergauf. Auch
gibt es hier kaum Bäume, so dass der Wind ungehindert über das Land
pusten kann.
In einem kleinen Tal war eine alte Mühle zu einer Galerie und
einem Kaffee umgebaut. Hier wurden Fotos von der Insel ausgestellt.
Bei stimmungsvoller Musik trank ich einen Tee und schaute mir die
Bilder an.
Morgen geht die Fähre zu den
Orkney-Inseln weiter. Einen Platz in der
dortigen Jugendherberge konnte ich auch schon buchen.
05.07.2002:
Hektisches Treiben in der Jugendherberge. Dann die ersten Rufe:
"Do you got the news? The ferry is broken!". Was sollte das wieder
bedeuten? Das Fährschiff, das nur zwei mal in der Woche zwischen den
beiden Inseln verkehrte, ist kaputt. Die Reederei bemühte sich
allerdings schon um eine Lösung. Ein Frachtschiff wurde geordert,
dass die Fahrräder, Autos und das Gepäck aufnehmen sollte. Für die
Passagiere sollte ein Flugzeug bereitgestellt werden, dass uns zu
den Orkney-Inseln fliegen würde.
Also zum Hafen, auf das Frachtschiff warten, schnell noch das
Handgepäck für die Nacht zusammenstellen und dann kamen auch schon
die Busse, die uns zum Flughafen brachten. Wie auf einem
Großflughafen wurden wir strengsten kontrolliert, mit dem Ergebnis,
dass ich meine Nagelfeile und ein kleines Taschenmesser auspacken
und abgeben musste.
Der kleine Flieger hatte kaum seine Flughöhe erreicht, da setzte
er auch schon wieder zur Landung an. 20 Minuten dauerte der Flug,
für den die Fähre acht Stunden gebraucht hätte.
In Kirkwall angekommen machten wir uns auf den Weg zur
Jugendherberge. Nach dem Einchecken hatte ich noch Zeit ein paar
Kleinigkeiten für das Abendessen einzukaufen. Das Gepäck und die
Räder würden erst am nächsten Tag ankommen.
06.07.2002:
Gefahrene km: 40
Ich erkundigte mich beim Fährbüro nach dem Fahrrad und dem
Gepäck. Doch hier wusste noch niemand, von der gestrigen Aktion.
Bald hatte ich aber das Frachtschiff gefunden und konnte meine
Sachen in Empfang nehmen. Endlich konnte ich meine Reise fort
setzen.
Als nächste Station wählte ich die Jugendherberge in Stromness,
die in einem alten Schloss untergebracht ist. Stromness ist der
Hauptfährhafen mit Verbindungen zum schottischen Festland. Bei der
Fahrt durch die engen Straßen aus Kopfsteinpflaster konnte ich mir
viele Sehenswürdigkeiten aus dem 17. Jahrhundert anschauen.
Auf der heutigen sightseeing-tour wurde ich von Bernd, einem
Radwanderer aus Deutschlad, begleitet. Viele historische
Seenwürdigkeiten sind schon über sechstausend Jahre alt. Es gibt
über 1.000 aufgelistete Beispiele jungsteinzeitlicher Überbleibsel,
wie den "Ring of Brodgar", das "Maeshowe", ein altes Hügelgrab, die
"Skara Brae" eine ausgegrabene Siedlung, und die "Standig Stones of
Stenness". Die Orknay-Inseln sind renommiert dafür, Jahr für Jahr
überraschende Entdeckungen zu Tage zu fördern.
Am Abend kam ich noch mit einem jungen Mann ins Gespräch. Nachdem
wir uns gut eine halbe Stunde in englisch unterhalten hatten, stelle
er die Frage, woher ich denn komme. Den Rest der Unterhaltung
konnten wir in unserer Muttersprache fortsetzen.
07.07.2002:
Gefahrene Km: 70 (im Beiwagen eines Motorrades)
Gestern schon war mir die Frau auf dem Motorrad mit Beiwagen
aufgefallen. Sie erreichte auf ihrer Tour die Sehenswürdigkeiten
immer vor uns, schließlich war sie auch motorisiert. Wenn wir
ankamen, machte sie sich bereit zum Abfahren.
Am Abend in der Jugendherberge kamen wir noch ins Gespräch, und
so ergab es sich, dass wir uns für heute zu einer kleinen Spritztour
verabredeten. Bei super schönem Wetter hatte ich heute meinen Platz
im Beiwagen und ließ mich den ganzen Tag über die Inseln
kutschieren.
Die Insel "Brough of Birsay" erreichten wir nur zu Fuß und weil
der Wasserstand gerade sehr niedrig war (Ebbe). Auf dieser Insel
sind in den Monaten Juli und August die seltenen Papageientaucher "Puffin"
zu finden. Irgendwo zwischen den Klippen und der Brandung entdeckten
wir dann auch ein Paar dieser Vögel. Unser Versuch, die Vögel mit
dem Fotoapparat ins rechte Bild zu setzen, war vergebene Liebesmühe,
die Tiere waren noch so weit weg, dass sie später auf den Bildern
kaum zu erkennen sind.
Auf einer anderen Insel machten wir Pause, kletterten auf eine
Klippenwand und schauten einfach nur auf das Meer.
08.07.2002:
Es regnet wieder in Strömen. Allein auf der Fahrt von der
Jugendherberge zum Fährhafen bin ich bis auf die Haut nass
geworden. Ich entschließe mich, keine Inselrundfahrt mit dem Fahrrad
mehr zu machen, sondern die nächste Fähre auf das Festland zu
nehmen.
Da die Fähre erst um 15.00 Uhr abfährt, habe ich noch genug Zeit,
mir noch einmal die Stadt Stromness anzuschauen. Ich erstehe noch
eine Dose Imprägnierspray, mit der ich meine Regenjacke behandele.
Und zum Abschied nehme ich die Gelegenheit war, noch einmal richtig
essen zu gehen. Auf der Tafel vor dem Restaurant wird ganz groß eine
Fischplatte angepriesen. Hier greife ich zu. Allerdings entpuppt
sich die Fischplatte als "Fish and chips", also Backfisch mit
Pommes. Als wenn die Briten nicht in der Lage wären, mal etwas
anständiges zu kochen.
Kurz vor der Abfahrt treffe ich noch die Motorradfahrerin mit dem
Beiwagen. Sie will erst morgen auf das Festland übersetzen. Dennoch
verabreden wir uns für morgen Abend zum Essen. Ich hoffe, das wird
besser, als mein heutiges Mal.
Um 17.00 Uhr legt die Fähre auf dem Festland an. Endlich wieder
festen Boden unter den Füßen. Nach dem Einchecken in der
Jugendherberge von Thurso traue ich mich zum ersten mal, in
ein Pub zu gehen um ein richtiges Bier zu trinken. Der Wirt ist
neugierig und fragt wo ich herkomme, und mit welchem Verkehrsmittel
ich reise. Als ich ihm erzählte, dass ich mit dem Fahrrad von
Deutschland über Dänemark, Schweden und Norwegen nach Schottland
gefahren bin, schlägt er die Hände über den Kopf zusammen und sagt
nur: "Welcome in Scottland".